UNVERHOFFT KOMMT OFT
Eigentlich wollte ich mir so früh im Jahr keine Wettbewerbe vornehmen. Dennoch ist der Jahresanfang ist eine Zeit, wo viele über Herausforderungen nachdenken, wie zum Beispiel einen Monat jeden Tag
- laufen,
- gesund ernähren
- aufräumen und ausmisten, auch im Kopf.
Was aber macht ein Läufer, der schon alles das ganze Jahr über gemacht hat. Ich hätte da einen Tipp: Er macht etwas, was er noch nie gemacht hat.
Der Plan nichts zu planen wird umgeschrieben in spontan und ungeplant eine Herausforderung annehmen.
Oha, ein Wettbewerb im Schnee mit steilen rutschigen Abschnitten, und meinen Fuß, der immer noch nicht kuriert ist.
So einen Lauf in den Bergen im Schnee in Wettkampf-Atmosphäre habe ich noch nie gemacht und selbst wenn, wer Schnee kennt, der weiss. Schnee ist nicht gleich Schnee.
Es gibt brettharten Schnee, sulziger Schnee, Pulverschnee, Schnee von oben, Schnee mit Sonne, Schnee überall, Schnee mit ... ich glaub ihr wisst, worauf ich hinaus will. Ich weiß nie, wie die tagesaktuellen Bedingungen sein werden. Daher habe ich beim Wetterdienst erst einmal Schnee für Mittelfranken bestellt,damit ich mich gescheit vorbereiten kann. Die Griffigkeit von Schuhen, Laufklamotten - nicht zu viel, nicht zu wenig muss bei einem langen Lauf getestet werden.
Der Wetterdienst hat geliefert. Neu-Schnee, am darauf folgenden Tag pappiger Schnee, dann Schnee mit Regen. Resümee, die Zielzeit sollte egal sein, denn es läuft sich deutlich langsamer. Ist sie jedoch nicht, da es Cut-off Zeiten gibt. Cut-off Zeiten dienen dazu, dass das Rennen trotz diverser Fitnesslevel der Läufer und Wanderer für den Veranstalter und der Helfer in einem zeitlichen Rahmen bleibt. Der Läufer muss an einem bestimmten Streckenpunkt nach 15 km um 12.00 Uhr (3.30 Std.) durchgelaufen sein, ansonsten DNF (Did Not Finish).
ERSTENS KOMMT ES ANDERS UND ZWEITENS ALS MOUTAINMAN DENKT
Ein Anlaufpunkt für ein Trailabenteuer für Jedermann, -frau, Diverse und Hund ist die Webseite von "Mountainman". Die Seite ist sehr puristisch gestaltet: Preise, Startzeiten, GPS-Strecke und Strecken-Beschreibung. Das Nötigste halt.
Details, wie Hinweise zu Pflichtausrüstung, Siegerehrung für Alterklassen ja oder nein, die Möglichkeit zur Anreise aus Deutschland ohne Maut, habe ich beim Januar-Trail in Mittersill nicht gefunden. Ich wusste jedoch von meinem Mountainman-Trail-Lauf in Pommelsbrunn, dass das Organisations- und Helfer-Team sehr gut organisiert ist. Ausführliches Infomaterial, was keine Fragen offen lässt, wird zugeschickt. Den Versand der Startunterlagen (wenn keine allzu kurzfristige Anmeldung erfolgt ist) kann man bezahlen, oder am Vortag / Renntag entspannt abholen. Wenn noch Fragen offen bleiben, habe ich bereits mehrfach die Erfahrung gemacht, dass die Projektleiterin höchstpersönlich, umgehend und präzise wie ein deutsches Uhrwerk antwortet.
Weitere wichtige Infomails über die Pflichtausrüstung und die möglicherweise geänderte Strecke gibt es dann noch in der Woche vor dem Wettkampf. Außer bei meiner Frau, da gab es vom Mountainman weniger Infos als bei mir. Das ist auch besser so, denn die Informationen ändern sich hier wie die Wetterlage auf dem Gipfel. Erst gehört eine Pfeife nicht zur Pflichtausrüstung, später dann schon. Zum Glück wohne ich bei einem Schreiner, der schon mit Pfeifen gearbeitet hat.
Hier das Resultat:
Mir war ja schon klar, dass es irgendeine Pflichtausrüstung geben wird, aber viele andere mögen jetzt ein wenig Stress haben. Ich möchte nicht wissen, wieviele am Sonntag an den Start gehen, weil dieser in einer Mail irrtümlich als "Raceday" benannt worden ist. Zudem scheinen die Organisatoren oder die Autokorrektur "Startplatz" und "Stadtplatz" verwechselt zu haben. Mountainman spricht daher Orientierungsläufer besonders an und hielt uns alle auf Trab.
Wer noch keine Grödel hatte, sollte nicht lange trödeln und eher rödeln, denn die Spikes sollten in der benötigten Schuhgröße, Aktivität und Spikelänge waren rar. Auf der Strecke zwischen Nürnberg und München wurden meine Frau, die auf großen Fuß lebt und ich mit einer eher gängigen Größe, die daher ständig vergriffen war, erst in München Zentrum fündig.
Das Budget ab 25 Euro pro Paar abgespeckten Steigeisen sollte der Teilnehmer noch zusätzlich zu den Startgebühren, den Klamotten, die alle Körperteile bedecken sollte, der Unterkunft in der Hauptsaison, und den Anreisekosten noch zurückgelegt haben. Man gönnt sich ja sonst nichts, gell? Anzumerken ist, dass einiges davon nach dem Event einsetzen lässt. Außer meine Hose, doch dazu später noch die Details. Und vielleicht macht der eine oder andere das ja noch einmal in Mittersill. Also 10 Jahre halten die Grödel mindestens durch laut der Hersteller, wenn man wandert und nicht läuft. Neben der gewonnenen Lauf-Erfahrung im Schnee lassen sich die Grödel nützlich auf verschneiten, oder vereisten Wanderwegen bei mir vor der Haustüre in Mittelfranken einsetzen. Ich hätte hier gefühlt Straßenlaufschuhe anziehen können, denn die Hauptarbeit verrichteten die Spikes beim Bodenkontakt. Wer denkt, dass man in Schnee nicht laufen kann, der sollte einmal die Dinger probieren. Doch vorsichtig, wenn ihr jemanden auf dem Fuß steigt. Das könnte unangenehm werden.
Grödel ist nicht gleich Grödel. Es gibt welche mit flachen ein paar Millimeter kurzen Pinnen, oder mit spitzen kurzen Haifischzähnen, oder langen, wie beim Tyrannosaurus.
Die Bauart ist für die Veranstaltung nicht empfehlenswert:
Ich habe die mittleren genommen und meine Frau die richtig langen. Die haben jedoch bei unseren Wanderungen vieles unterwegs aufgespießt, so etwas wie Gras, Eisklötze, und Kuhfladen.
Es lohnt sich ein paar Tage früher anzureisen, um auch die richtigen Klamotten und das Anziehen der Spikes im Stehen zu testen.
Grundsätzlich lasst Euch nicht verunsichern, wenn die Information von Mountainman eher schneeflockenmäßig nach und nach vom Himmel fallen. Diese sollten vollständig aufgelesen und beherzigt werden, denn sie sind nicht ohne Grund. Vermutlich kommen sie deswegen kurz vor knapp, damit auch Zeitgenossen abgeholt werden, deren Kurzzeitgedächtnis besser ausgeprägt ist als ihr Langzeitgedächtnis ist.
Wichtig ist, erst einmal selbst klar zu werden, was die eigenen Ziele und ob diese realistisch sind, um sie genau bei diesem Event umzusetzen. Marathoner wie ich liebäugeln naturgemäß gleich mit der XL Strecke. Sogleich hatte ich mir die Strecken-Beschreibung durchgelesen:
- "härteste Marathon auf Schnee!"
- "knackige Uphill"
- "ein richtiges Brett: mit 40% Steigung geht es eine Skipiste hinauf"
- "Der Untergrund und die Höhenmeter werden dich an deine Grenzen führen."
- "Krass! Ein echtes Brett! Nur für sehr fitte Trailläufer erlaubt. Für Wanderer nicht zugelassen."
Uhh, ich sollte hier etwas vorsichtig sein. Wir sind in Österreich in den Bergen, und ich mit einem angeschlagenen Fuß, nicht trainiert auf Trails, und noch nie auf knapp 2.000 Höhenmeter auf Schnee gelaufen. Ich habe schon vieles gemacht an wilden Strecken, aber da war es eher moderat bis heiß von den Temperaturen.
Die Beschreibung der L-Strecke war dann eher meine Wahl, statt der Qual. Mehr Kilometer und mehr Höhenmeter würden mich aktuell nicht glücklicher machen, entschied ich. Die etwas spätere Startzeit um 8:30 war für mich ebenfalls stressfreier.
Wenn ich bedenke, dass Trailläufe früher quasi Ultras waren, ist Mountainman scheinbar in die Gletscherspalte gesprungen und lässt die Läufer die Kürzere ziehen.
In Pommelsbrunn beim Mountainman bin ich im Dezember 16 Kilometer gelaufen und hatte das Gefühl, dass das schon reichen kann, für mich für den ersten Platz in meiner Altersklasse. Wobei es keine Siegerehrung für Altersklassen gab. Das gilt so auch für Mittersill. Klar, ein Wettbewerb darf auch mühsam, anstrengend und kräftezehrend sein, also jenseits der Komfortzone, Spaß habe ich allerdings, wenn ich ein entsprechend der zuvor investierten Trainingszeit angemessenes Tempo oder Strecke gewählt habe.
Nicht Pflicht sind Stöcke, aber aus Erfahrung sehr hilfreich, wer Kräfte sparen will und sicherer laufen möchte. Doch dazu musste ich noch die kleinen Teller für die Stöcke aufstecken. Die Teller helfen bei festem Schnee vor dem Einsinken und erwiesen sich als ausreichend groß.
Ansonsten musste in den Laufrucksack noch Smartphone, Rettungsdecke, erste Hilfe-Set, Laufrucksack mit mindestens 0,75l gefüllter Trinkblase, Becher, Ausweis und Krankenversicherungskarte.
Weiterhin bedarf es offline verfügbare GPX-Daten auf meiner Uhr. Handschuhe nehme ich freiwillig mit.
Im Starterbeutel gab es Mineraldrinktabletten, die Handwärmer habe ich dem Vermieter da gelassen, die Lotion nimmt meine Frau und ich bekomme von ihr die Energy-Gums. Die waren nicht bei mir dabei.
Der von Mountainman verkündete Sondereinlass ab 17 Uhr mit kostenlosem Eintritt in die Nationalparkwelten war scheinbar ein Missverständnis des Veranstalters. Es gibt nur Rabatt.
Ein besonderer Service ist der Bustransfer von Mittersill für das Hin- und Zurück vom Stadtplatz zum Startplatz und umgekehrt.
Oben am Start gibt es keine Parkplätze für Nicht-Skifahrer. Es gibt eine Schranke. Es gibt nur wenige freie Parkplätze. Besser den Shuttleservice benutzen, der in 15 - 30 Minuten Takt fährt. Lange warten und frieren muss hier keiner. Vom Bus geht es direkt in ein großes beheiztes Zelt. Dort kann ich mich umziehen und meine Sachen deponieren und die Pflichtausrüstung checken lassen. Ich habe direkt die Grödel angezogen.
DER LAUF
Angerichtet für mich waren am 18.1.2025 34,4 Kilometer sonnige Pisten und Ziehwege
mit vier Verpflegungspunkten:
- VP1 Pinzgablick: 5 km
- VP2 Panoramaalm: 8 km
- VP3 Bruggeralm: 18 km
- VP4 Sonnalm: 30 km
Für die, die am Start noch nicht gefrühstückt haben:
Genossen habe ich das bombastische Bergpanorama,
die glitzernde Schneedecke, und
den strahlend blauen Himmel,
die rasanten Abfahrten auf dem Hosenboden, und die irren Anstiege (insbesondere wenn man oben angelangt ist).
Gelaufen wird auf großen Pisten und Ziehwegen, keine Trails!
Vom Start weg geht es sanft den Berg hoch und wieder runter.
Doch gleich nach dem ersten Kilometer erwartet die Läufer die erste Gehstrecke.
Ohne Grödel keine Chance, wie ein Läufer eindrucksvoll demonstrierte als er nach 5 Metern wieder zum Anfang der steilen Piste zurück rutschte.
In der Ebene wird hier nicht gelaufen. Es ist ein Skigebiet und Skifahrer mögen keine Strecken, wo sie schieben müssen. Daher geht es für die Läufer stets hinauf oder hinab.
Entlang der Strecke gab es viele und super nette Helfer, keine Zuschauer, vereinzelt aber wahrnehmbar aus Liften, von Skiwanderern aufmunternde Zurufe. Es gibt vergleichsweise wenig Skifahrer. Samstag ist oft An-/Abreisetag und daher ist weniger Betrieb. An Hütten wird es oft unübersichtlich. Hier hilft die Navigation oder man sucht sich einen anderen laufenden Pfadfinder. In der Regel gibt es Flatterbänder und Bodenmarkierungen.
Am Ende erwartete mich ein atmosphärischer Zieleinlauf mit eifriger Moderation und eine zur Stecke passende Medaille in Weiß.
Im Ziel gab es Bier, Lebkuchen, Kekse, belegte Brote, Erdnüsse u.v.m.
Siegerehrung gibt es dort, wo die Startunterlagen abgeholt wurden. Dort hält auch der Bus. Es gibt ausreichend Plätze im Bus.
Ich wurde Erster in meiner Altersklasse und 18. von allen Mountainmännern. Doch man braucht schon Zeit, ich jedenfalls 5 Stunden. Es war ein Spektakel und jede Minute wert.
MEINE GELERNTEN LEKTIONEN
- Der Po-Bereich sollte mit einem robusten aber glatten Material bedeckt sein. Meine Windhose hat einen großen Riss bekommen, aber ich hatte auf den Hosenboden-Abfahrten den totalen Spaß.
Gefühlt war ich schneller als die Skifahrer unterwegs. Im Schuss ging es Abwärts. Nur Bauch-Muskeln braucht man, um die Beine hoch zu halten. Einmal hatte ich das Gefühl, dass meine Hose durch die Reibung heiß wird, da habe ich abgebremst. Am besten geht Geschwindigkeit drosseln, wenn der Oberkörper flach aufliegt. Rutschen ist eine energiesparende Fortbewegung und eine Pause für die Beine. Eventuell auch Pause für die Sportuhr. Überprüfen, ob sie die Strecke noch aufzeichnet und navigiert, oder ob sie versehentlich gestoppt wurde. - Grödel müssen nicht einmal während der gesamten Strecke aus- und wieder angezogen werden. Man läuft die gesamte Strecke auf Schnee. Die Schutztasche für die Grödel kann verstaut werden und muss nicht griffbereit sein. Für den Lauf würde ich die längeren Spikes empfehlen. Wenn die Spikes am steilen Berg rutschen, den ganzen Fuß aufsetzen, dann greifen die Spikes vorne und hinten. Das ist nur mit intakten Achillessehnen machbar.
- Nicht allzu sehr an den Rand der Piste laufen. Hier ist der Schnee nicht so arg verdichtet und man kann sehr tief einsinken.
- Bei schnellen Bergabläufen eher mit breiteren Armbewegungen für mehr Gleichgewicht und zum Ausgleich der Pisten Unebenheiten haben.
- Bei der Verpflegung gab es anfangs deftige Brote und Gurken, nur keine praktisch verpackte Nahrung zum Mitnehmen für unterwegs. Ich hatte Wasser dabei, welches ich mit isotonischen Pulver angereichert habe, damit es nicht so leicht einfriert. Eine Verpflegungsstation habe ich übersehen, somit macht Eigenversorgung Sinn.
- Klamotten sollten so gewählt werden, dass sie für drei Fortbewegungsarten "Gehen", "Laufen", und "Rutschen" eignen. Bei den Klamotten gilt es nicht zu viel anzuziehen, sodass man schwitzt und nicht zu wenig, mit denen sich die Haut in Schlumpfblau verfärbt.
- Die letzten 5 Kilometer sind geschenkt. Das heißt, der letzte lange Anstieg davor ist unfassbar und kaum zu glauben der letzte Anstieg. Er endet mit einer VP. Dann geht es in gemächlich ins Tal. Wenn man das weiß, kann das mental stärken.
- Das Bein-Krafttraining zahlt sich aus. 2.200 Höhenmeter zeigte meine Uhr und diese Leistung müssen größtenteils Waden, Oberschenkel stemmen.
Mit diesen Tipps seid Ihr bestens für den Lauf präpariert und habt sicherlich genauso viel Spaß wie ich.
Ein weiteres Schneeabenteuer würde ich ohne zu überlegen in Angriff nehmen - mit meiner reparierten Hose.
Meine Frau ist übrigens etwas kürzer gelaufen. Ihren Bericht findet ihr auf Trailrunning24.
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